Head in the Air - HintergrΓΌnde 2: Retro
Als Jugendlicher hatte ich eine etwas ignorante Einstellung gegenΓΌber Musik, die Γ€lter war als ich. "Wieso soll ich mir Musik anhΓΆren, die frΓΌher etwas bewegt hat, wenn ich mir auch Musik anhΓΆren kann, die heute etwas bewegt?", habe ich mir gedacht. Ich war schon lange interessiert an Musik, die vorwΓ€rts denkt, Grenzen auslotet und Neues ausprobiert. Und tatsΓ€chlich haben meine damaligen Lieblingsbands wie
The Cooper Temple Clause, Oceansize oder
The Mars Volta einen Sound entwickelt, den es so frΓΌher noch nicht gab. Ich wusste schon, dass man die Bands einigermaΓen in die Tradition Progressive Rock einordnen kΓΆnnte, aber die ursprΓΌngliche Variante dieses Genres aus den 70ern hat mich einfach nicht so interessiert wie die neuere.
Besonders ignorant war ich gegenΓΌber den Beatles. Zugegeben, als unser Musiklehrer am Gymnasium versucht hat uns die Band etwas nΓ€her zu bringen, hat er zwei sehr schlechte Beispiele gewΓ€hlt: Ob-La-Di, Ob-La-Da klingt einfach furchtbar nach Schlager und Revolution 9 ist auch nicht gerade reprΓ€sentativ. Und auch die Lieder, die man so aus dem Radio kennt, haben mich damals nicht angesprochen. Die hohen (schnell abgespielten) Stimmen haben mich genervt und generell waren die Lieder halt schon zu oft rauf und runtergespielt um in mir irgend etwas zu wecken. Ich wusste natΓΌrlich, dass die Band irgendwie relevant war, aber es hat mich nicht interessiert.
Zu meiner eigenen Γberraschung habe ich in den letzten Jahren dann doch eine Faszination fΓΌr Musik der 60er/70er entwickelt. Und zwar weniger fΓΌr Rock als fΓΌr Folk- und Pop-Alben aus der Zeit.
Nick Drake mochte ich sowieso schon lange und
Things behind the Sun war das erste Lied, das ich gleichzeitig auf der Gitarre spielen und singen konnte. So bin irgendwann auch auf
Tim Buckley,
John Martyn und weitere gekommen. Dann musste ich erkennen, dass in der Zeit einfach unglaublich innovative Musik gemacht wurde. Die endlose FΓΌlle an guten Ideen, die anarchistische Art und Weise, wie die MΓΆglichkeiten von Studio-Aufnahmen weiterentwickelt wurden, oder auch die wunderbaren orchestralen Arrangements in manchen StΓΌcken – kaum zu glauben, dass so etwas damals Pop genannt wurde, wenn man an heutiges Radio-Gedudel denkt. Von den dynamischen und fΓΌr heute ziemlich unkonventionellen Stereo-Mixen ganz zu schweigen. Zugegeben, dieser Gedanke ist nicht besonders originell, aber fΓΌr mich war das doch so etwas wie eine Entdeckung. Und ich liebe einfach diesen nostalgischen Streicherklang wie bei
diesem oder
diesem Lied.
Und letztendlich habe ich wahrscheinlich keine Band in den letzten drei Jahren so oft gehΓΆrt, wie die
Beatles. Eines der ersten Lieder, das mich ΓΌberzeugt hat war
Piggies. Cembalo, Cello, Schweinegrunzen und der alberne Text – das hat schon was! Und ΓΌberhaupt: Diese ganzen ΓΌberbordenden, verspielten Melodien bei so vielen
Beatles-Liedern sind genau das, was mir auch an
The Shins oder dem "
Shadows Collide with People"-Album von John Frusciante gefΓ€llt.
NatΓΌrlich ist
Head in the Air kein Retro-Album geworden. Aber der Sound von alten Pop und Folk-Songs war ein wichtiger Einfluss bei manchen Songs und auch bei Entscheidungen, was den Mix und die Arrangements angeht. Vor allem
Trust und
Nicholas kann man durchaus als Hommage verstehen. Aber vor allem ist es der beschriebenen Musik zu verdanken, dass ich mich auf dem Album mehr auf das Format des Pop-Songs eingelassen habe. Denn in diesem Sinn klingt
Head in the Air vΓΆllig anders als der VorgΓ€nger
Silence.
Head in the Air erscheint am 6. Mai 2016. Am Tag davor spielen war das komplette Album live im Marie Antoinette in Berlin. Karten kΓΆnnen
hier vorbestellt werden.