Italien, Pt. 2
Als ich in Mailand angekommen bin hat es immer noch geregnet und wie mir gesagt wurde, tut es das wohl auch den ganzen Herbst. Der unter Mussolini erΓΆffnete, gigantische Bahnhof gab mir den ersten, ziemlich einschΓΌchternden Eindruck dieser Stadt. AnschlieΓend habe ich mich erstmal ordentlich verlaufen, habe es aber noch rechtzeitig zum Gastgeber des nΓ€chsten Konzerts geschafft, um mit ihm noch eine rettende Tasse Kaffee zu trinken, bevor er zurΓΌck zu seiner Arbeit musste und ich aufbrach um etwas von der Stadt zu sehen.
Γber Mailand wusste ich nicht viel, nur dass es dort viel um Mode geht. Und wenn man nach klischees sucht, findet man sie natΓΌrlich auch. Also tatsΓ€chlich laufen dort sehr viele etwas zu auffΓ€llig gut gekleidete Menschen herum. Mit meiner leuchtend grΓΌnen Regenjacke kam ich mir vor wie ein Alien; als Mann in Mailand trΓ€gt man wahlweise Schwarz, Grau oder ein sehr dunkles Blau. Den ΓΌberwΓ€ltigenden Eindruck, den der Bahnhof verursacht, findet man auch anderswo. Viele GebΓ€ude in Mailand, scheinen darauf ausgelegt zu sein, dass der Mensch sich mΓΆglichst klein fΓΌhlen soll.
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Platz vor dem Dom |
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Bunt sind nur die Regenschirme |
Vor allem der Dom ist einer von der Sorte, deren GrΓΆΓe man ΓΌberhaupt nicht mit einer Kamera festhalten kann, weil nicht alles auf ein Bild passt. Die dΓΌstere AtmosphΓ€re die innen herrscht, wurde bei meinem Besuch noch verstΓ€rkt durch die Improvisationen eines Organisten, der scheinbar groΓen SpaΓ daran hatte, die gigantische Orgel in diesem endlos hallendem GebΓ€ude auf unheimlichste und bedrohlichste Art auszukosten. So morbid drΓΆhnende Musik kenne ich eher von
Bohren und der Club of Gore als aus Kirchen. Da bin ich doch glatt ein paar Minuten sitzen geblieben und habe zugehΓΆrt. Passend dazu steht hinter dem Altar noch eine Statue des hl. BartholomΓ€us, der seine eigene Haut lΓ€ssig ΓΌber der Schulter trΓ€gt. Gruselig.
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St. BartholomΓ€us, von einem
SchΓΌler Leonardo da Vincis |
Nach dem Dom habe ich mir im Museo del Novecento ein wenig moderne Kunst angesehen, was mir sehr gefallen hat, nicht zuletzt wegen den vielen begehbaren Installationen aus den Sechziger Jahren, die darauf ausgelegt sind die Wahrnehmung und Orientierung zu verwirren. Vom Museum aus hat man auch einen schΓΆnen Ausblick ΓΌber den Platz.
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Museo del Novecento,
mit Blick auf den Dom |
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Einer der RΓ€ume im Museum |
Am Abend habe ich im Wohnzimmer einer WG vor ausgewΓ€hltem, eingeladenen Publikum gespielt. Vorher gab es Melanzane alla Parmigiana, sehr lecker. Das Konzert war echt schΓΆn und gemΓΌtlich. Das ist schon eine ganz andere Situation als auf einer BΓΌhne oder auf der StraΓe.
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Vergleichsweise dezente Modewerbung |
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WG-Konzert in Isola, Meiland |
Der Dienstag war dann mein freier Tag, den ich grΓΆΓtenteils im Parco Sempione und im Aquarium von Meiland verbracht habe. Abends bin ich dann weiter nach Padua, habe dort aber nur noch mein Bett in der Jugendherberge besichtigt. Am nΓ€chsten Morgen kam mir Padua im Vergleich zu Meiland so unglaublich ruhig und entspannt vor. Dabei habe ich sowieso einen ereignisreichen Tag erwischt: Studenten, die gerade ihren Abschluss erhalten haben, mΓΌssen in Padua und Venedig verkleidet einen ΓΌber sie verfassten, erotisch angehauchten und ziemlich langen Text lesen. Verlesen sie sich, mΓΌssen sie trinken und werden von ihren Freunden mit Essen besudelt. Und je mehr sie trinken, desto mehr Fehler machen sie natΓΌrlich. Und so war die Stadt voll mit jubelnden Studenten, die sich um grotesk verkleidete Figuren versammelt haben.
Trotzdem erschien mir die Stadt den ganzen Tag wie ein total gemΓΌtlicher Ort. Als ich morgens am Markt die StΓ€nde mit den Pilzen entdeckt habe, hatte ich dann auch ein Ziel fΓΌr diesen Tag gefunden: Pilze essen. Den Wunsch habe ich mir dann gleich zweimal erfΓΌllt. In Padua gibt es auΓerdem einen der Γ€ltesten botanischen GΓ€rten der Welt. Dort steht neben einer FΓ€cherpalme ein Text von Goethe, der von eben dieser Palme sehr angetan war.
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Dottore in Mediazione linguistica e culturale |
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EntzΓΌckte Statue im botanischen Garten |
FΓΌr Katholiken ist Padua wichtig, weil dort die sterblichen Γberreste von Lukas dem Evangelisten und dem heiligen Antonius aufbewahrt werden. FΓΌr Antonius, der ein so guter Redner war, dass ihm auch die Fische zugehΓΆrt haben, wurde eine ganze Kathedrale errichtet. Dort sind neben seinem Sarg auch seine Zunge, sein Kinn und seine StimmbΓ€nder als Reliquien ausgestellt. Ich frage mich, wie die Menschen auf die Idee kamen, als der gute Mann gestorben war seine Verdienste als Redner damit zu ehren, dass man ihm das Kinn abhackt, die Zunge und StimmbΓ€nder herausreist um das ganze dann der Γffentlichkeit zu prΓ€sentieren.
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Pilze Pilze Pilze |
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Prato della Valle |
Das Konzert abends in La Mela di Newton war dann das letzte meiner Reise und ein perfekter Abschluss. Ich habe verstΓ€rkt gespielt und der Klang war richtig gut. So konnte ich zwischendurch auch mal wieder ein bisschen Krach machen, das macht ja schlieΓlich auch SpaΓ. Der Laden war auΓerdem gerammelt voll und die Musik kam sehr gut an. Woran sich deutsche Clubs ein Beispiel nehmen kΓΆnnten: Um Mitternacht gab es eine KΓ€seplatte und Grissini fΓΌr alle. Und darauf eingestellt auf irgendeinem Sofa zu ΓΌbernachten, war ich dann sehr ΓΌberrascht, als der Booker mich zu dem fΓΌr mich gebuchten Hotelzimmer gefahren hat.
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La Mela di Newton, Padua |
Am letzten Tag habe ich dann einen Abstecher nach Venedig gemacht. Dort habe ich den ein oder anderen Biennale-Pavillon von LΓ€ndern, die ich nicht so ohne weiteres auf dem Globus finden wΓΌrde, besichtigt und ansonsten die Stadt auf mich wirken lassen. Und die ist schon echt etwas besonderes.
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Pavillon von Azerbaijan |
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Am Canal Grande |
Was ich noch gelernt habe: In Italien trinkt man zur Zeit ΓΌberall Spritz. Also habe ich meine Reise auch bei einem solchen ausklingen lassen und die letzten Postkarten geschrieben. Am nΓ€chsten Tag hΓ€tte ich dann in 13 Stunden von Venedig nach Berlin fahren sollen. Es wurden dann 20 Stunden, dank einem "Personenschaden" auf der Strecke zum Brenner. Vielleicht sollte ich aufhΓΆren
1615 zu singen? Bringt das UnglΓΌck? Zumindest habe ich, wΓ€hrend der Zug fast vier Stunden vor Bozen stand, einen neuen Text geschrieben:
Tour Diary.
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Abends in Venedig |
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Spritz mit Campari (vorne) und Aperol (hinten) |