Italien, Pt. 2

Friday, October 25, 2013

Als ich in Mailand angekommen bin hat es immer noch geregnet und wie mir gesagt wurde, tut es das wohl auch den ganzen Herbst. Der unter Mussolini erâffnete, gigantische Bahnhof gab mir den ersten, ziemlich einschüchternden Eindruck dieser Stadt. Anschließend habe ich mich erstmal ordentlich verlaufen, habe es aber noch rechtzeitig zum Gastgeber des nÀchsten Konzerts geschafft, um mit ihm noch eine rettende Tasse Kaffee zu trinken, bevor er zurück zu seiner Arbeit musste und ich aufbrach um etwas von der Stadt zu sehen.

Über Mailand wusste ich nicht viel, nur dass es dort viel um Mode geht. Und wenn man nach klischees sucht, findet man sie natürlich auch. Also tatsÀchlich laufen dort sehr viele etwas zu auffÀllig gut gekleidete Menschen herum. Mit meiner leuchtend grünen Regenjacke kam ich mir vor wie ein Alien; als Mann in Mailand trÀgt man wahlweise Schwarz, Grau oder ein sehr dunkles Blau. Den überwÀltigenden Eindruck, den der Bahnhof verursacht, findet man auch anderswo. Viele GebÀude in Mailand, scheinen darauf ausgelegt zu sein, dass der Mensch sich mâglichst klein fühlen soll.

Platz vor dem Dom
Bunt sind nur die Regenschirme

Vor allem der Dom ist einer von der Sorte, deren Grâße man überhaupt nicht mit einer Kamera festhalten kann, weil nicht alles auf ein Bild passt. Die düstere AtmosphÀre die innen herrscht, wurde bei meinem Besuch noch verstÀrkt durch die Improvisationen eines Organisten, der scheinbar großen Spaß daran hatte, die gigantische Orgel in diesem endlos hallendem GebÀude auf unheimlichste und bedrohlichste Art auszukosten. So morbid drâhnende Musik kenne ich eher von Bohren und der Club of Gore als aus Kirchen. Da bin ich doch glatt ein paar Minuten sitzen geblieben und habe zugehârt. Passend dazu steht hinter dem Altar noch eine Statue des hl. BartholomÀus, der seine eigene Haut lÀssig über der Schulter trÀgt. Gruselig.
St. BartholomΓ€us, von einem
SchΓΌler Leonardo da Vincis

Nach dem Dom habe ich mir im Museo del Novecento ein wenig moderne Kunst angesehen, was mir sehr gefallen hat, nicht zuletzt wegen den vielen begehbaren Installationen aus den Sechziger Jahren, die darauf ausgelegt sind die Wahrnehmung und Orientierung zu verwirren. Vom Museum aus hat man auch einen schΓΆnen Ausblick ΓΌber den Platz.

Museo del Novecento,
mit Blick auf den Dom

Einer der RΓ€ume im Museum




Am Abend habe ich im Wohnzimmer einer WG vor ausgewÀhltem, eingeladenen Publikum gespielt. Vorher gab es Melanzane alla Parmigiana, sehr lecker. Das Konzert war echt schân und gemütlich. Das ist schon eine ganz andere Situation als auf einer Bühne oder auf der Straße.
Vergleichsweise dezente Modewerbung
WG-Konzert in Isola, Meiland
Der Dienstag war dann mein freier Tag, den ich grâßtenteils im Parco Sempione und im Aquarium von Meiland verbracht habe. Abends bin ich dann weiter nach Padua, habe dort aber nur noch mein Bett in der Jugendherberge besichtigt. Am nÀchsten Morgen kam mir Padua im Vergleich zu Meiland so unglaublich ruhig und entspannt vor. Dabei habe ich sowieso einen ereignisreichen Tag erwischt: Studenten, die gerade ihren Abschluss erhalten haben, müssen in Padua und Venedig verkleidet einen über sie verfassten, erotisch angehauchten und ziemlich langen Text lesen. Verlesen sie sich, müssen sie trinken und werden von ihren Freunden mit Essen besudelt. Und je mehr sie trinken, desto mehr Fehler machen sie natürlich. Und so war die Stadt voll mit jubelnden Studenten, die sich um grotesk verkleidete Figuren versammelt haben.

Trotzdem erschien mir die Stadt den ganzen Tag wie ein total gemütlicher Ort. Als ich morgens am Markt die StÀnde mit den Pilzen entdeckt habe, hatte ich dann auch ein Ziel für diesen Tag gefunden: Pilze essen. Den Wunsch habe ich mir dann gleich zweimal erfüllt. In Padua gibt es außerdem einen der Àltesten botanischen GÀrten der Welt. Dort steht neben einer FÀcherpalme ein Text von Goethe, der von eben dieser Palme sehr angetan war.

Dottore in Mediazione
linguistica e culturale
EntzΓΌckte Statue im
botanischen Garten
FΓΌr Katholiken ist Padua wichtig, weil dort die sterblichen Überreste von Lukas dem Evangelisten und dem heiligen Antonius aufbewahrt werden. FΓΌr Antonius, der ein so guter Redner war, dass ihm auch die Fische zugehΓΆrt haben, wurde eine ganze Kathedrale errichtet. Dort sind neben seinem Sarg auch seine Zunge, sein Kinn und seine StimmbΓ€nder als Reliquien ausgestellt. Ich frage mich, wie die Menschen auf die Idee kamen, als der gute Mann gestorben war seine Verdienste als Redner damit zu ehren, dass man ihm das Kinn abhackt, die Zunge und StimmbΓ€nder herausreist um das ganze dann der Γ–ffentlichkeit zu prΓ€sentieren.

Pilze Pilze Pilze
Prato della Valle
Das Konzert abends in La Mela di Newton war dann das letzte meiner Reise und ein perfekter Abschluss. Ich habe verstÀrkt gespielt und der Klang war richtig gut. So konnte ich zwischendurch auch mal wieder ein bisschen Krach machen, das macht ja schließlich auch Spaß. Der Laden war außerdem gerammelt voll und die Musik kam sehr gut an. Woran sich deutsche Clubs ein Beispiel nehmen kânnten: Um Mitternacht gab es eine KÀseplatte und Grissini für alle. Und darauf eingestellt auf irgendeinem Sofa zu übernachten, war ich dann sehr überrascht, als der Booker mich zu dem für mich gebuchten Hotelzimmer gefahren hat.

La Mela di Newton, Padua

Am letzten Tag habe ich dann einen Abstecher nach Venedig gemacht. Dort habe ich den ein oder anderen Biennale-Pavillon von LΓ€ndern, die ich nicht so ohne weiteres auf dem Globus finden wΓΌrde, besichtigt und ansonsten die Stadt auf mich wirken lassen. Und die ist schon echt etwas besonderes.

Pavillon von Azerbaijan
Am Canal Grande
Was ich noch gelernt habe: In Italien trinkt man zur Zeit ΓΌberall Spritz. Also habe ich meine Reise auch bei einem solchen ausklingen lassen und die letzten Postkarten geschrieben. Am nΓ€chsten Tag hΓ€tte ich dann in 13 Stunden von Venedig nach Berlin fahren sollen. Es wurden dann 20 Stunden, dank einem "Personenschaden" auf der Strecke zum Brenner. Vielleicht sollte ich aufhΓΆren 1615 zu singen? Bringt das UnglΓΌck? Zumindest habe ich, wΓ€hrend der Zug fast vier Stunden vor Bozen stand, einen neuen Text geschrieben: Tour Diary.

Abends in Venedig
Spritz mit Campari (vorne)
und Aperol (hinten)